Tja, nun mal langsam liebe Freunde. Den ersten Anruf hatte ich heute morgen um 6:00 Uhr wegen dem Programm für die nächsten Tage (nicht nur ;-) ). Hier geht zwar die Sonne schon um 02:34 Uhr auf (Sonnenuntergang 00:05), trotzdem kann ich ganz gut schlafen. Die Vorhänge am Fenster halten das Licht schön draussen, denn es wird gar nicht richtig dunkel.
Gestern haben wir noch das Programm für heute und morgen bekommen, bevor wir uns an Sylvester auf die Drake-Passage zurück Richtung Südspitze Chile/Argentiniens machen.
Es wird noch eine enge Kanaldurchfahrt, zwei Anlandungen und eine Zodiacrundtour geben. Also steht noch einiges an.
Die letzte Nacht verbrachte die Bremen erst noch eine Weile vor Port Lockroy um sich dann in der Nacht auf den Weg Richtung Petermann Island zu machen.
Mit ein Höhepunkt dorthin ist die Durchfahrung des Lemaire-Kanals. Der Kanal erstreckt sich zwischen dem Antarktischem Festland und der Booth-Insel. Adrien de Gerlache benannte ihn 1898 während einer "Belgica"-Expedition nach dem damaligen belgischen Konsul im Kongo, Charles Lemaire. Warum gerade der? Das kann ich leider auch nicht sagen. Der Kanal hat eine Länge von ca. 6 Kilometern, an seiner engsten Stelle ist er 720m breit. Flankiert wird der Nordeingang auf der Festlandseite von dem 747 m Doppelgipfel des Kap Renard.
Gegen 7:00 Uhr will der Kapitän den Lemaire-Kanal erreichen. Bis dahin sind es nur ca. 40 Kilometer. Daher geht es in langsamer Fahrt - zwischendurch wird auch mal eine Schleife gefahren - dem Kanal entgegen. Wir wollen ja nicht um 2:00 Uhr aufstehen um die Durchfahrt von Deck aus zu betrachten.
Viertel vor Sieben erreichen wir die markanten Felsnadeln. Dunstwolken liegen noch in der Passage und große Eisblöcke liegen in der Durchfahrt. Langsam manöveriert der Kapitän das Schiff durch den engen Lemaire. Die Berge an Back- und Steuerbord sind riesig, teilweise im Dunst nur zur erahnen. Von oben reichen Gletscher an das Wasser heran. Ab und an rumpelt ein Eisblock gegen die Schiffswand. Plötzlich durchbricht ein Lawinenabgang die Stille. Zum Glück bleiben die Schneemassen weiter oberhalb des Kanals liegen. Es gäbe sicherlich eine ordentliche Welle breitseits, würden sie bis nach unten rauschen und noch einen Teil der Gletscherkante mitreißen. Nach einer guten Stunde haben wir den Kanal durchquert. Trotz der Wolken beeindruckend schön!
Kurz die kalten Finger vom Halten der Kamera aufwärmen und dann ist erstmal Zeit für ein ordentliches Frühstück mit einem Cappuccino dazu. Draussen schwimmt währenddessen gerade ein Mink-Wal vorbei. Seine Fluke ist bei seinem Abtauchen vom Frühstückstisch aus gut zu erkennen. Zum Fotografieren reicht es natürlich nicht mehr.
Kurze Zeit später erreichen wir Petermann Island.
Nur etwa 10 Kilometer südlich vom Ausgang des Lemaire-Kanals liegt Petermann Island. Die Insel ist ungefähr 2 Km lang und 700 m breit. Auf dem höchsten Gipfel der Insel (133m) befindet sich ein Gedenkstein des französischen Antarktisentdeckers Jean Baptiste Charcot, der 1909 während seiner Expedition auch diese Insel besuchte. In der Nähe der Landestelle wurde im Jahre 1955 die argentinische Schutzhütte "Groussac" errichtet.
Ab 9:00 Uhr schweben die ersten Zodiacs zu Wasser. Ich stehe gerade noch oben an Deck als der Mink-Wal meint sich die beiden Zodiacs der Vorausgruppe und der Lektoren einmal von unten ansehen zu müssen. Diesmal habe ich aber meine Videokamera dabei und kann ihn dabei kurz filmen. Immerhin schon mal etwas besser als bisher!
Durch eine Strömung in diesem Bereich treiben immer wieder große Eisblöcke an der Bremen vorbei. Ab und an hüpfen die Pinguine auf die Blöcke oder springen bzw. lassen sich zurück ins Wasser rutschen.
Auf der Backbordseite lässt sich ein Seeleopard auf einer Eisscholle vorbeitreiben. Auch den bekomme ich ganz gut gefilmt. Zwei Pinguine springen wohl versehentlich auf diese Scholle, sind nach Anblick des Seeleoparden aber fix wieder unten und abgetaucht. Zur Ehrenrettung des Seeleoparden sei gesagt, das seine Nahrung zu 60% aus Krill und nur zu weiteren 40% aus Pinguinen besteht. Ja, das lernt man hier alles an Bord.
Schon die ganze Zeit springen Pinguine neben dem Boot her. Von oben kann man beobachten wie sie im Wasser nach Nahrung tauchen. Rasend schnell gleiten sie dicht unter der Wasseroberfläche dahin. Ähnlich schnell wie zum Beispiel Schwalben in der Luft.
Filmen? Hoffnungslos! Aber wenig später an Land geht das wesentlich besser.
Die Anlandestelle ist an einer flachen felsigen Küste. Über Granitfelsen und -blöcke ist ein trockenes Aussteigen gut möglich.
Nach einer kurzen Wanderung von ca. 500m im Schnee leicht bergauf erreichen wir eine Kolonie der Adelie-Pinguine. Die hatten wir auf unserer Reise bisher noch nicht gesehen.
Die Adelie-Pinguine brüten auf kleinen Felsblöcken und sind aus nächster Nähe zu beobachten. Erwachsene Tiere erreichen eine Höhe von ca. 50 cm und ein Körpergewicht von 5 Kg. Das Männchen kommt kurz vor dem Weibchen an den Brutplätzen an, scharrt auf den Bruthügeln eine Mulde und legt diese dann mit kleinen Steinen aus. Im Abstand von 2-3 Tagen werden zu Beginn des antarktisches Sommers im November zwei Eier gelegt, die zuerst von den Männchen bebrütet werden. Bei unser Ankunft waren die Jungen inzwischen schon geschlüpft und werden in den ersten drei Wochen täglich abwechselnd von den Eltern gefüttert. Dazu muß im Umkreis von ca. 50 Km genügend Krill gefangen werden.
Der größte Feind der Pinguinjungen ist in dieser Zeit die Braune Skua. Auch während unserer Anwesenheit ließ sich eine Skua nicht abhalten. Im Abstand von 30 - 50 cm saß sie gegenüber dem Nest um auf die kleinste Unachtsameit der Eltern zu lauern und sich ein Junges zu schnappen.
Leider mußten wir um 12:00 Uhr schon wieder auf dem Schiff zurück sein. Bei gutem Wetter, inzwischen war die Sonne etwas herausgekommen, hätten wir hier gut noch länger aushalten können. Denn von hier oben war der Ausblick auf die Buchten und die gegenüberliegenden Berge und Gletscher hervorragend.
Eigentlich sollte die Fahrt jetzt noch weiter südlich zur ukrainischen Station Vernadsky auf den Argentine Islands gehen. Doch der Kapitän mußte leider verkünden, das durch einen medizinischen Notfall eine Änderung des Planes notwendig würde. Als nächstes läuft daher die MS Bremen die King George Island an. King George Island ist die nördlichste Insel der Süd-Shetland Inseln und hat eine Landebahn für Flugzeuge.
Auf dem Rückweg war der Lemaire-Kanal jetzt wesentlich besser zu befahren. Die Sicht war gut und die Eisberge waren auch weniger geworden. Am Ende gab es noch einen tollen Blick auf die Doppelgipfel des Kap Renard. Diesmal in der Sonne.
Mit voller Kraft voraus ist die MS Bremen jetzt auf den Weg Richtung Norden, um über die Gerlache Strait und Bransfield Strait möglichst schnell King George Island zu erreichen. Hoffentlich spielen die Witterungsverhältnisse mit, damit dort morgen früh eine Abholung klappt.