Montag, 6. Juni 2016
Es ist noch stockdunkel als mitten in der Nacht der Wecker klingelt. Für heute steht der Ausflug zu den einzigartigen Felsentempeln von Abu Simbel auf unserem Plan. Der Ausflug ist in dem Gesamtpaket nicht inklusive und wir mussten vor Ort für 95,-- Euro separat buchen. Mohamed hat das aber alles für uns erledigt und er ist auch dabei, als es um 3:00 Uhr in dem kleinen Bus erstmal zu dem Parkplatz am unvollendeten Obelisken geht.
Hier treffen sich alle Busse, die am heutigen Tag die ca. dreistündige Fahrt in das 280 Kilometer entfernte Abu Simbel antreten wollen. Aus Sicherheitsgründen wird die Strecke im Konvoi durchgeführt. Bevor es losgeht, überprüfen Polizisten noch alle Fahrzeuge und die Papiere der angemeldeten Mitfahrer. Um 4:00 Uhr setzt sich der Konvoi von ca. 10 Kleinbussen und drei Reisebussen in Bewegung.
Mohamed hat uns noch den Tipp gegeben, das Kopfkissen mitzunehmen. Wir sind ja nur 5 Personen in dem Bus: der Fahrer, zur Sicherheit ein zusätzlicher Beifahrer, Mohamed, Anja und ich. So können wir uns auf den Sitzbänken ordentlich lang machen und verschlafen die meiste Zeit der eintönigen Fahrt durch die Wüste. Die Straße ist gut ausgebaut. Von der Wüstenlandschaft bekommen wir erst kurz vor Abu Simbel wieder etwas mit. Links und rechts Sand, ab und zu mal ein Tierkadaver, Strommasten und vereinzelt mal ein Abzweig zu einem einsamen Anwesen.
Die mit GPS aufgenommen Strecke der Rückfahrt ist hier nachzuverfolgen: Abu Simbel > Assuan
Die zwei Felsentempel von Abu Simbel zählen mit zu den bekanntesten Anlagen aus dem alten Ägypten. Zur Hauptsaison ist hier sicherlich viel mehr los. Es wurde sogar extra ein Flughafen für Reisende errichtet, die aus Assuan oder Luxor angeflogen kommen. So können sie an einen Tag die Tempelanlagen besichtigen ohne die mehrstündige Busfahrt zu machen.
Wir haben drei Stunden Zeit um den großen und den etwas kleineren Tempel zu besichtigen. Da auch hier überhaupt keine Warteschlangen sind ist das ausreichend. Am Eingang zu dem größeren Tempel gibt uns Mohamed weitere Infos zur Geschichte und der Entstehung. Der große wurde zum Ruhm Ramses II errichtet und der kleinere der beiden Tempel ist der königlichen Gemahlin Nefertari geweiht.
Die Tempelanlagen wurden erst sehr spät entdeckt, sie lagen einfach zu weit südlich im damaligen Nubien. Zug und Autos gab es damals ja noch nicht und so kamen Europäer nur selten den Nil bis hier, fast an der Grenze zum Sudan.
Als der schweizerische Gelehrte Burckhardt im Jahre 1813 den Tempel von Abu Simbel entdeckte, war ein Teil des Tempels von einer Sanddüne zugeweht, der Eingang zugeschüttet und nicht erreichbar. Erst 1817 ließ der Amateurarchäologe Giovanni Battista Belzoni den Eingang freilegen und gelangte ins Innere des Tempels. Heute gehört Abu Simbel neben den Pyramiden und der Sphinx von Giza zu den bekanntesten Postkartenmotiven Ägyptens.
Die etwa 21 Meter hohen Kolossalstatuen des Ramses sind ein toller und eindrucksvoller Anblick. Allein der Abstand zwischen den Ohren jeder Figur beträgt mehr als vier und die Lippen sind über einen Meter breit. Das gesamte Portal hat eine Breite von 38 Metern und ist 32 Meter hoch. Alle Figuren schauen in Richtung Osten zum Aufgang der Sonne.
Aber die Tempel standen nicht immer hier an dieser Stelle am Nassersee!
Der geplante Bau des Assuan-Hochdamms bedrohte die Existenz der beiden Tempel von Ramses II in Abu Simbel. Neben den Tempeln von Philae und anderen wären auch diese Felsentempel im angestauten Nassersee versunken. Unter der Schirmherrschaft der UNESCO wurden Vorschlägen und Plänen zur Rettung der Bauwerke gesammelt, sie sollten zerlegt, abgebaut und 180 Meter landeinwärts an einer etwa 65 Meter höheren Stelle wieder aufgebaut werden. 1963 wurde mit den Arbeiten begonnen und die beiden Felsentempel von Abu Simbel wurden in einzelne transportfähige Blöcke zerlegt. Die schwersten Blöcke wogen an die 30 Tonnen, die meisten wogen aber immer noch 12 bis 20 Tonnen. Beim Zersägen der Statuen und Wandreliefs musste sehr vorsichtig vorgegangen werden, denn später sollte alles wieder ohne Fugen zusammengefügt werden.
Das ist sehr gut gelungen. Sogar die durch ein Erdbeben kurz nach der ersten Errichtung der Tempelanlage zerstörte Königsfigur wurde so wieder aufgebaut wie sie vorgefunden wurde. Die Teile des Kopfes und des Torsos liegen wie in damaligen Zeiten vor der Fassade am Boden.
Über die neunstufige Treppe kommen wir zum Eingangstor zum Tempel. Auch das Innere des Tempels hat eine imposante Größe. Zu sehen ist eine traditionelle Säulenhalle mit acht gewaltigen Säulen, weitere Ramsesfiguren zwischen den Reliefs und den Wandbildern. Im Hinteren Teil ist wie in allen Tempelanlagen das Heiligtum. Zweimal im Jahr findet ein Ereignis statt, das als „Sonnenwunder“ von Abu Simbel bezeichnet wird. Dann beleuchten die durch den Tempeleingang eindringenden Sonnenstrahlen drei der vier Götterstatuen des tief im Tempel liegenden Heiligtums: des Amun-Re von Theben, des vergöttlichten Ramses und des Re-Harachte von Heliopolis. Nur die Statue des links sitzenden Ptah von Memphis bleibt mit Ausnahme seiner linken Schulter außerhalb des Sonnenlichts. Er war ein Erdgott, der mit dem Reich der Toten verbunden war. Wer das Sonnenwunder einmal selbst erleben möchte, muss um die Tage des 21. Oktober oder 21. Februar einmal nach Abu Simbel kommen.
Der kleinere der beiden Tempel liegt nur wenige Schritte durch die Hitze entfernt. Dieser Tempel gilt als Verehrungstempel für die Gemahlin Ramses des Großen, der Königin Nefertari. Ein solches Bauwerk der Verehrung von einer Königin ist höchst selten und unterstreicht die Bedeutung, die Nefertari bei Hofe besessen haben muss. Rechts und links vom Eingang stehen jeweils drei, ca. 10 Meter hohe Monumentalfiguren. Bei den vier männlichen Figuren handelt es sich um Darstellungen des Ramses, bei den zwei weiblichen um Königin Nefertari als Verkörperung der Göttin Hathor. Neben dem Königspaar stehen die Kinder: die Prinzen Amunherchepeschef, Paraherwenemef, Merire und Meriatum sowie die Prinzessinnen Meritamun und Henuttaui.
Durch den Eingang gelangen wir in eine dreischiffige Halle, die durch sechs Pfeiler unterteilt ist. An den Säulen und Wänden befinden sich schöne Reliefdarstellungen, die Begebenheiten aus dem Leben von Nefertari und Ramses beschreiben. Ohne Gedränge können wir die Hieroglyphen und Bilder betrachten.
Im Schatten von eine paar Bäumen machen wir eine kleine Pause. Vom Schiff haben wir ein kleines Lunchpaket mit Brötchen und Obst mitbekommen. Beobachten können wir auch die asiatischen Besucher, die wir auch schon an anderen Ausgrabungsstätten getroffen haben.
Vom Nassersee weht etwas Wind das Ufer hoch und lässt uns die Hitze einigermaßen ertragen. Wir sind aber dann doch froh, dass wir uns für die Rückfahrt wieder in unseren klimatisierten Bus setzen können. Im Konvoi wird dann wieder zusammen abgefahren, auf der Straße zieht sich die Kolonne aber weit auseinander. Jeder fährt sein eigenes Tempo. Unterwegs muss ich mal ein paar Schritte hinaus in die Wüste machen, Tank- und Rastanlagen gibt es hier nicht. Von kühlendem Wind ist überhaupt nichts mehr zu spüren und ein Baum ist auch nicht in Sichtweite. Ich bin jedenfalls sehr schnell wieder zurück im Bus. Auf der weiteren Strecke kommen wir an einsamen Wachposten vorbei und am frühen Nachmittag sind wir wieder in Assuan angekommen. Wir können den Ausflug nach Abu Simbel nur empfehlen, auch wenn die Anfahrt lang ist.
Eine große Erholungspause gibt es am Schiff allerdings nicht. Es gibt noch eine Segelstunde auf einem der traditionellen Holzsegelboot. Die Feluken waren früher auf dem Nil, im östlichen Mittelmeer und in den Küstengewässern des Roten Meers häufig als Handelsschiffe anzutreffen. Heute gehören sie fast nur noch auf dem Nil zum typischen Erscheinungsbild.
Der Kapitän legt sein Segelboot direkt neben der MS Senator an und wir steigen an Bord. Schnell geht es bei gutem Nordostwind in Richtung der Insel Elephantine. Bereits kurz nach dem Ablegen habe ich als alter Segler die Pinne in der Hand und steuere das Boot zwischen Elephantine Island und der "Insel der Pflanzen" stromaufwärts. Der Kapitän gibt mir nur noch Hinweise auf vorhandene Felsen im Wasser und der Bootsjunge legt sich unter Deck und schläft. Ich habe alles unter Kontrolle und zurück ist etwas Kreuzen gegen den Wind angesagt. Unterhalb des Aga Khan Mausoleum geht es am westlichen Nilufer entlang und wir lassen den botanischen Garten steuerbord liegen. Die Feluke ist nicht ganz so wendig wie früher mein Korsar auf dem Steinhuder Meer, reagiert aber doch erstaunlich sensibel auf mein Wirken an der Pinne. Die ist allerdings auch nicht ganz so leicht zu händeln wie bei einer Jolle. Nach einer guten Stunde legen wir wieder an der Kaimauer neben der MS Senator an. der schöne Törn hat viel Spaß gemacht.
Für mich ist der Ausflugstag aber noch nicht beendet. Mohamed unternimmt mit mir noch eine Stadtführung durch Assuan. Erster Halt mit dem Taxi ist an einer neuen Moschee an der Corniche. Der Namen ist mir leider entfallen. Hier beginnen gerade Vorbereitungen für den Abend, denn heute beginnt der Fastenmonat Ramadan. Das heißt auch für Mohamed: Nichts essen und trinken zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang. Keinen Tropfen trinken bei der Hitze ist wirklich bewundernswert. Ich könnte das nicht, Mohamed hat keine Probleme.
Von hier fährt uns das Taxi weiter auf einen Hügel inmitten des Zentrums von Assuan. Hier oben steht die El-Tabia-Moschee mit ihren zwei schlanken Minaretten. Wir sind die einzigen Besucher und haben einen unverbauten Blick auf einen kleinen Park und über die Stadt. Durch eine der drei Eingangstüren betreten wir die Gebetshalle unter der zentralen Kuppel. Vorher haben wir natürlich unsere Schuhe draußen abgestellt. Mohamed gibt mir ein paar Information über seinen Glauben und wie er und seine Familie damit leben.
Nächster Halt ist etwas oberhalb des Old Cataract Hotels an einem Restaurant. Von der Terrasse sehen wir über den Sanddünen am westlichen Nilufer die Sonne untergehen. Endlich auch für Mohamed der Zeitpunkt einen ersten Tee zu bestellen und zu trinken. Wir genießen die Ruhe und den Blick auf die untergehende Sonne. Nur die Strommasten stören etwas die Stimmung.
Auf dem Rückweg zum Schiff halten wir noch an einer Einkaufsstraße von Assuan an. Mohamed muss noch Geschenke für seine Familie und Freunde mitbringen.
In der Gasse wird alles angeboten was man sich so vorstellen kann: Lampen und Duftöle, Babykleidung, T-Shirts, wunderschöne Galabijas, Tücher aus Seide, nubische Handwerksarbeiten, Parfüms, Wasserpfeifen und Zubehör, lebende Hühner neben frischem Obst und Gemüse. In einem Laden mit Gewürzen, Datteln, Feigen und vielen anderen kaufe ich Pfeffer und selbst zusammengestellte Gewürzmischungen für Fleisch- und Fischgerichte.
Inzwischen ist es wieder stockdunkel als wir am Schiff zurück sind. Noch ist der Tag aber nicht vorbei. Nach dem Abendessen tritt noch eine nubische Gruppe auf. Sie macht Musik mit Trommeln und anderen nubischen Instrumenten und wir Gäste werden mit in die Tänze eingebunden.
Die Passagierzahl hat sich für die Rückfahrt nach Luxor am heutigen Tag mehr als verdoppelt. Ein brasilianisches Paar und zwei english Boys sind noch an Bord gekommen. Hoffentlich gibt das keinen Streit um die besten Plätze am Pool die nächsten Tage ;-).
Schiffstag von Assuan zurück nach Luxor >>