Samstag, 4. Juni 2016 (vormittags)
Heute müssen wir wieder früh aufstehen, denn um 7:00 Uhr wartet die Kutsche am Anleger von Edfu. Frühstück um 6:00 Uhr ist nicht so ganz unsere Zeit. Ein späteres Frühstück nach Rückkehr von unserem Ausflug ist nach Absprache mit Maghallo kein Problem!
An den Kaimauern des Ortes wäre noch ausreichend Platz für viele weitere Schiffe, die MS Senator liegt aber heute alleine unterhalb der Stadtmauern. Direkt oberhalb vom Schiff steigen wir in die Kutsche und fahren zum knapp 1 km entfernten Horus-Tempel. Auf den Straßen des Ortes, der auf halber Strecke zwischen Luxor und Assuan liegt, ist noch nicht viel los. So kommen wir ohne Staus und rote Ampeln zügig voran. Über eine ansteigende Straße geht es hoch zu dem Horustempel. Er wurde zwischen den Jahren 237 und 147 vor Christus erbaut und ist damit über zweitausend Jahre alt und gehört zu den besterhaltenen Tempeln Ägyptens.
Auch hier ist der Eingangsbereich in den letzten Jahren neu gestaltet worden. Alles ausgelegt für wesentlich größere Besuchergruppen, wir sind aber heute fast alleine unterwegs. Es ist allerdings auch noch sehr früh am Tag. Über einen riesigen Platz nach dem Eingang mit seiner kleinen Ladenzeile betreten wir die Tempelanlage. Über einen gepflasterten Weg und einigen Stufen nähern wir uns dem mächtigen, 36 m hohen, Mauern des ersten Pylons. Beobachtet werden wir nur von einer kleinen Sphinx, die einsam auf dem großen Platz liegt und in die Ferne schaut.
Der Kutscher mit seinem Pferd wartet in der Zwischenzeit unter einem beschatteten Unterstand auf unsere Rückkehr.
Bei Anwesenheit des Gottes wurden in die Aussparungen rechts und links des Tores Fahnenmasten aufgestellt. Der Eingang zum Tempel wird von zwei großen Falken bewacht. in den Reliefs kann man den falkenköpfigen Gott Horus mit der Doppelkrone von Ober- und Unterägypten erkennen. Ebenfalls den siegreichen Pharao, der seine Feinde beim Schopf packt. Durch den Pylon gelangen wir in einen großen Vorhof mit schönen Säulen, die mit Horus-Sphingen verziert wurden. Hier wurde jährlich das Fest der Hochzeit von Horus und Hathor zelebriert. Hathor kam dann aus ihrem Tempel in Dendera zu Besuch. Nach dem Betreten kann man rechts unten auf der Rückwand des Pylon die beiden Barken von Hathor und Horus erkennen, auf denen die kleine Zeremonialbarke mit dem Götterschrein steht. Sie werden von Segelschiffen auf dem Nil nach Süden gezogen. Auf weiteren Bildern kommen Priester zur Begrüßung und tragen die Barken. Wahnsinn was vor so vielen Jahren schon möglich war um die damaligen Geschichten aufzuschreiben und damit für die Nachwelt zu erhalten. Ob unsere DVD's, CD's oder Disketten auch weit über 2.000 Jahre halten?
Zwischen einem zweiten Falkenpaar kommen wir in eine weitere Vorhalle mit schönen Säulen, an die sich eine weitere überdachte Säulenhalle anschließt. An den Wänden immer wieder Hieroglyphen und bildliche Darstellungen von Göttern und Pharaonen, Priestern. Königinnen und Königen. Im hinteren Bereich kommen wir zum Allerheiligsten mit einem Granitschrein und einem Sockel für die heilige Barke. Die heute ausgestellte Holzbarke ist eine Kopie.
Beeindruckend auch die Genauigkeit der Aufzeichnung von Rezepten wie zum Beispiel hier links für die Herstellung von Arzneien, Salben und Ölen in einem der vielen Nebenräume. Ägyptologen wie Mohamed können hier die Zusammensetzung für die Herstellung von aromatischen Essenzen und Ölen mit Harzen, Myrrhe, Zimt und Zitronengras erkennen.
Okay, bei mir würde als Ergebnis wohl etwas gaaanz anderes herauskommen ;-).
Beeindruckt verlassen wir die Anlage und machen uns mit unserem Kutscher auf den Weg zurück zum Schiff. Inzwischen ist im Ort schon etwas mehr los. Läden haben geöffnet, Bauern mit Eselskarren transportieren Zuckerrohr zum Markt, Frauen bereiten sich auf den Einkauf vor oder treffen Verabredungen übers Handy. Mohamed kauft noch etwas in der Pharmacy ein, jüngere und ältere Herrschaften sitzen beim Klönschnack vorm Café. Heute darf noch tagsüber etwas getrunken und gegessen werden, der Ramadan beginnt erst am morgigen Tag.
Um 9:00 Uhr sind wir wieder rechtzeitig zum Ablegen zurück am Schiff. Jetzt können wir in Ruhe unser Frühstück genießen. Auch für das Frühstück konnten wir unsere besonderen Wünsche anmelden und bekommen diese auch die nächsten Tage frisch serviert. Anja frisches Obst mit Joghurt und ich aromatische Tomaten, Fetakäse und Toast. Lecker und gesund!
Um 17:00 Uhr wollen wir in Kom Ombo anlegen. Also genügend Zeit sich an Deck zu erholen. Platz unter den Sonnenschirmen haben wir ja ausreichend zur Verfügung und der Fahrtwind kühlt etwas. Wenn das nicht mehr ausreicht springen wir in den kleinen Pool. Schade das die MS Senator keine Badeleiter hat. So können wir nur den Kindern zuwinken, die das kühle Nass des Flusses genießen dürfen.
Unterwegs in teils karger Landschaft vereinzelt Kleinbauern auf ihren Feldern. Bestimmt kein leichter Job.
Heute sehen wir zum ersten Mal drei weitere Schiffe, die mit uns den Nil aufwärts in Richtung Assuan fahren.
Entgegen kommt uns die im Jahr 1921 in Schottland erbaute Sudan. In der ersten Blütezeit des Ägypten-Tourismus um 1930 fuhr das Schiff vorwiegend für reiche Gäste aus der Oberschicht Großbritanniens. Bereits während Agatha Christie “Der Tod auf dem Nil” schrieb beförderte die Sudan Touristen auf dem Nil. Ob Agatha tatsächlich auf dem Schiff mitgefahren ist? Dafür gibt es bisher keine Augenzeugen oder Belege.
Die Sudan ist das einzig erhaltene, historische Nilkreuzfahrtschiff und seit der Errichtung des Assuan-Staudamms befährt die Sudan den Abschnitt Luxor–Assuan. Durch seine Bekanntheit und das erhaltene Ambiente der 1930er-Jahre ist die Sudan auch heute noch ein Hauptanziehungspunkt auf dem Nil. Da schreckt wohl auch nicht ab, das der Dampfer zu den teuersten Schiffen gehört.
Auf einige Annehmlichkeiten wie ausreichende Klimatisierung, Pool oder wirkliche Außenkabinen muss man dafür allerdings auch verzichten.
Doppeltempel von Kom Ombo >>