Mittwoch, 8. Juni 2016
Heute habe ich meinen runden Geburtstag. Das ist auch der Grund, warum wir nicht zuhause sind, sondern uns hier bei + 45°C am Nil rum treiben. Hätte ich zwischen Oktober und März Geburtstag, wären die Temperaturen wahrscheinlich erträglicher gewesen. So haben wir aber heute den 8. Juni und es wird bestimmt ein schöner und sonniger Tag. Das ist zuhause in Hannover nicht immer der Fall um diese Jahreszeit.
Ausschlafen können wir heute aber trotz meinem Feiertag nicht. Um 07.00 Uhr steht der klimatisierte Kleinbus mit dem Fahrer und Mohamed bereit um mit uns an das gegenüberliegende westliche Ufer des Nils zu fahren.
Zum Frühstück steht eine nett verzierte und leckere Geburtstagstorte auf dem Tisch und Maghallo mit seinem Team gratuliert herzlich.
Die Ballonfahrer waren aber sicherlich bereits ein paar Stunden eher als wir auf den Beinen und in der Luft um die Tempelanlagen von Theben West von oben zu bestaunen.
Sonst war es noch ruhig über dem Nil. Die Feluken lagen noch gut vertäut an den Stegen und der Reiher wartete auf den ersten unvorsichtigen Fisch an diesem Morgen.
Auf den Straßen auf dem Weg an das andere Nilufer gegenüber von Luxor und Karnak ist an diesem Morgen wenig Verkehr. Nur vereinzelt sehen wir einen Eselkarren, PKW oder Traktor entgegen kommen.
Hier, im Gouvernement Al-Wadi al-dschadid, liegt im Südteil der Libyschen Wüste das Tal der Könige. Das abgeschiedene Tal zwischen den kargen Bergrücken ist ein einziger großer Friedhof. Fast alle Pharaonen ließen sich hier begraben. Im Laufe der Zeit wurden bisher 64 in Stein gehauene Gräber freigelegt und in der Reihenfolge des Fundes durchnummeriert. Deshalb tragen die Gräber die Bezeichnung KV für Kings Valley und entsprechende Nummer, z. B. KV 62 ist das des Tutanchamun. Die vorletzte Entdeckung war im Frühjahr 2006 und die komplette Auswertung dieses Grabes mit der Bezeichnung KV 63 ist noch nicht vollständig abgeschlossen. 2010 wurde das vorerst letzte Grab KV 64 im Tal der Könige entdeckt.
Das Tal der Könige ist einer der wichtigsten Sehenswürdigkeiten im Niltal. Aber auch an diesem Haupanziehungspunkt hält sich der Ansturm heute stark in Grenzen.
Mohamed besorgt uns die Eintrittstickets und eine kleine Bimmelbahn fährt uns vom Eingang 500 Meter weit in das Tal. Das Ticket berechtigt zum Eintritt in nur drei der vorhandenen 64 Grabstätten. Man befürchtet, das die feuchte Atemluft der Touristen die Haltbarkeit der Farbe von den Wandmalereien beeinträchtigt.
Da nur ein langer Gang unter die Erde führt,
ist eine Belüftung der Grabstätten schwer möglich. Einige Gräber, wie zum Beispiel das des Sethos I., sind seit Jahren geschlossen. Mohamed erklärt uns noch, das jedes Jahr drei Gräber neu geöffnet und drei andere geschlossen werden. So wird über die Jahre immer ein ständiger Wechsel vollzogen um die Belastung der Gräber durch den Besucheransturm zu reduzieren.
Diese Belastung ist heute wohl eher nicht zu befürchten. Lange Warteschlangen vor den Eingängen zu den Grabstätten wie noch vor wenigen Jahren gibt es nicht. Wir können immer direkt runter in die Kühle der Grabanlagen und brauchen nicht wartend in der Sonne stehen.
Fotografieren ist in den Grabungen strikt verboten. Es ist sogar verboten eine Kamera mit in das Tal zu nehmen und die Wächter achten scharf auf die Einhaltung der Regel. Daher bleibt meine Kamera gleich im Auto zurück und es gibt aus dem Tal hier von mir keine Fotos. Das Risiko, eine ordentliche Strafe zu bezahlen, wollten wir dann doch nicht eingehen. So bleibt uns als Erinnerung nur der Kauf schöner Postkarten und einer DVD.
Von dieser DVD ("Agyptisches Panorama" ISBN: 3-8660205-126-25) sind auch die folgenden 7 Bilder aus der Grabkammer KV 2 von Ramses IV.
Mohamed empfiehlt uns zuerst den Besuch des Grabes KV2 von Ramses IV. aus der 20. Dynastie nicht weit vom Eingang zum Tal der Könige entfernt.
Beim Betreten wird die Eintrittskarte von einem der Wächter zur Kontrolle gelocht. Vom Eingang führt uns ein langer Gang mit leichtem Gefälle geradlinig in den Berg. Die Wände und Decken sind mit schönen Malereien verziert. Weiter hinten befinden sich seitliche Nischen und nach etwa 60 Metern erreichen wir eine größere Halle, die eigentliche Grabkammer. Hier steht der Sarkophag aus massivem roten Granit.
Wir steigen noch in zwei weitere Grabkammern ein, diese sind noch tiefer als die von Ramses IV. In den Gängen können wir uns auf Holzstegen und -treppen gut und sicher bewegen.
Die Wächter sind freundlich und warten höflich auf einen Dollar Trinkgeld. Da nicht viel los ist, dürfen wir auch schon mal hinter ein Geländer steigen und in eine abseits gelegene Kammer schauen.
Der Aufwand vor zigtausend Jahren ohne schweres Gerät muss immens gewesen sein um diese tollen Grabstätten zu errichten. Sicherlich wurde zur damaligen Zeit auf Menschenleben wenig Rücksicht genommen.
Aber auch das Wiederauffinden und Freilegen der verschütteten Gräber war und ist nicht immer einfach gewesen. Im Internet gibt es viele Informationen über dieses Tal und wir können nur sagen:
Es lohnt sich auf alle Fälle diesem schönem Tal einen Besuch abzustatten.
Auf der südlichen Seite des Berges, ca. 7 Kilometer mit dem Auto entfernt, steht der mit am besten erhaltene Tempel im Tal von Deir el-Bahari am Westufer des Nil in Theben. Es ist mit seiner eigenwilliger Architektur der berühmte Terrassentempel der Königin Hatschepsut (18. Dynastie, 15. Jahrhundert v. Chr.) und vor einer 300 Meter hohen Felswand sehr fotogen plaziert.
Ein kleiner Zug fährt uns vom Parkplatz bis vor den langen Treppenaufgang. Die Sonne brennt jetzt ordentlich vom Himmel und ich binde mir mein Kopftuch als Schutz um. Für uns auch wieder sehr schön, das mit uns spazieren maximal zehn weitere Touristen durch die schöne Anlage. So gelingen Fotos fast ohne andere Personen auf dem Bild. Hier darf nämlich wieder fotografiert werden. Breite Treppen und Rampen führen zu den Terrassen hinauf. Beeindruckend sind die Gänge mit den Pfeilern schon von hier unten anzusehen.
Dieses ganz anders als die bisherigen von uns besuchten Tempelanlagen aussehende Bauwerk entstand durch zahlreiche Veränderungen bei Um- und Ausbauten, Erweiterungen und Anbauten. Es wird angenommen, dass dem Architekt Senenmut die Aufgabe zur Planung für den Tempel übertragen wurde. Er verkehrte zur damaligen Zeit am Hofe und gehörte zum engeren Kreis der Königin.
Bei der sengenden Sonne und der Hitze ist der Anstieg schon etwas anstrengend, aber wir sind ja fit. Von der oberen Terrasse haben wir einen weiten Blick über die karge Landschaft von Theben. Kaum vorstellbar, dass hier früher einmal Bäume auf dem Platz gestanden haben sollen. Da ja nur wenige Touristen in der Anlage sind, haben die anwesenden Wächter natürlich ausreichend Zeit, um sich um uns zu kümmern. Erwartet wird dafür ein kleines Trinkgeld, was wir für die individuelle Führung auch gerne geben.
Wir sehen unter anderem einen Tempel für die kuhohrige Göttin Hathor. Sie galt als die Fruchtbarkeitsgöttin und wurde hier sehr verehrt. An der Rückwand des westlichen Säulengangs befinden sich Nischen in der Wand, die für königliche Statuen gedacht waren. Links und rechts zweigen Kapellen ab, die heute jedoch verschlossen sind. Dem Besucher auch nicht zugänglich ist das Allerheiligste, das auf mittlerer Höhe tief in die Felswand führt. Darin übernachtete einmal jährlich die Barke des Gottes Amun.
Nicht unerwähnt möchte ich aber ein Attentat lassen, welches hier am 17. November 1997 durch die Gruppe Al-Dschamāʿa al-islāmiyya ausgeführt wurde.
68 Menschen, davon 64 ausländische Touristen und vier Ägypter, wurden bei dem terroristischen Anschlag getötet und weitere zum Teil schwer verletzt.
Gerade in unserer heutigen Zeit leider wieder mehr als aktuell.
Nach Besichtigung der schönen Terrassentempel von Königin Hatschepsut fahren wir weiter entlang der Hügelkette. Von der Straße sind unzählige Grabstätten zu sehen, von denen viel bereits durch internationale und einheimische Forschergruppen erkundet wurden.
Im Tal der Königinnen wurden in über 90 Gräbern die nahen Angehörigen der Herrscher der späten 17., 18., 19. und 20. Dynastie bestattet. Der Begriff „Tal der Königinnen“ ist jedoch irreführend, da hier nicht nur Königinnen bestattet wurden.
Auf der anderen Straßenseite sind die Grundmauern der Tempelanlagen von Ramses II, Thutmosis IV. und von Merenptah auf der ebenen Fläche gut zu erkennen. Viel merh ist leider nicht erhalten.
Ein paar Meter weiter sind die zwanzig Meter hohen Memnonkolosse nicht zu übersehen. Die zwei nebeneinander stehenden altägyptischen Kolossalstatuen aus dem 14. Jahrhundert v. Chr. stellen den König Amenophis III. dar. Er sitzt auf einem Thron, mit den Händen auf den Knien und blickt in Richtung Nil. Die Statuen sind sehr stark beschädigt und so sind die Gesichtszüge des Pharao nicht mehr zu erkennen. In der Vergangenheit standen die beiden imposanten Kolosse vor dem Tempel des Amenophis III.
In den Dörfern entlang der Straße gibt es mehrere Alabaster-Werkstätten. Hier wird der nördlich zwischen Luxor und Kairo abgebaute ägyptische Alabaster verarbeitet. Diese Variante des Alabasters ist wasserunlöslich und härter als Gips-Alabaster. Aber deutlich weicher als beispielsweise Marmor und er lässt sich daher sehr gut verarbeiten
Wir können die Handwerker beim Anfertigen der Vasen, Kunstgegenstände und Figuren aus dem Gestein beobachten. Viel Kundschaft ist allerdings nicht mehr unterwegs, die Hauptsaison ist auch für diese Werkstatt bereits vorbei. Viele andere Läden entlang der Straße haben bereits geschlossen.
In den angrenzenden Ausstellungsräumen gibt es die Souvenirs aus Alabaster in den Vitrinen zum Anschauen und Kaufen. Wir nehmen als Andenken eine kleine Statue der Nofretete mit.
Letzter Zwischenstopp auf unserer heutigen Rundfahrt ist das Wohnhaus von dem britischen Ägyptologen Howard Carter. Das Wohn- und Arbeitshaus war Ausgangspunkt für seine damaligen Forschungsvorhaben in der Umgebung von Luxor. Seit 2009 ist Carters Haus wieder für Besucher als Museum geöffnet. Der Großteil der Ausstellungsgegenstände sind Originaleinrichtungen. Außer Mohamed und uns ist heute kein weiterer Besucher am Museum zu sehen, das kleine Café hat geschlossen. In Ruhe können wir die Ausstellung und die Räume besichtigen: Carters Büro mit Schreibtisch, Bücher- und Geldschrank; das spartanisch eingerichtete Schlafzimmer; die Küche mit Herd und Kühlschrank und eine Dunkelkammer.
Carter entdeckte 1922 das Grab des Tutanchamun (KV62) im Tal der Könige in West-Theben. Dieser Fund machte ihn damals weltbekannt. Das Tal der Könige in Theben war bis dahin schon weitgehend erforscht und man hatte eine ganze Reihe von ägyptischen Königsgräbern gefunden. Die meisten waren aber schon von Grabräubern geplündert worden.
Howard Carter suchte aber seit 1917 weiter, er war davon überzeugt, das Grab des Tutanchamun zu finden.
Der sensationelle Fund gelang aber erst fünf Jahre später. im November 1922 begann man mit einer Erkundung am Grab von Ramses VI. und stieß auf eine hinab führende Treppe. Hinter Schutt fand man eine zugemauerte Tür mit unbeschädigten Siegel. Dieses Grab war anscheinend noch nicht von Grabräubern geplündert worden.
Das Grab Tutanchamuns enthielt insgesamt 5398 Objekte, von denen das bekannteste Fundstück wohl die „goldene Totenmaske des Tutanchamun“ ist. Ein Großteil der Funde aus KV62 befindet sich heute zur Ausstellung oder in den Magazinen des Ägyptischen Museums in Kairo. Der Sarkophag, der äußere der drei Särge und die Mumie Tutanchamuns sind im Tal der Könige verblieben.
Auf dem Grundstück des Carter-Hauses befindet sich ein Nachbau des Grabes von Tutanchamun. Leider darf man innen nicht fotografieren. Auch dort findet man schöne Wandmalereien sowie Bilder, die mehr Infos zur Grab-Entdeckung und der Nachbaugeschichte liefern. Die mit vielen Wandmalereien verzierte Grabkammer ist über eine kleine Treppe zu erreichen und man darf sie auch - im Gegensatz zum Original - betreten.
Mittags sind wir wieder zurück am Schiff und können bei einem leckeren Gemüseteller die Eindrücke des Tages verarbeiten. Auch in vierzehn Tagen hätte man hier in der Gegend sicherlich noch nicht alles erkunden können.
Nachmittags relaxen wir noch etwas auf dem Sonnendeck und packen langsam unsere Sachen in die Koffer. Morgen geht es wieder zurück nach Hannover.
Nach dem Abendessen verabschieden wir uns mit einem herzlichen Shukran von Mohamed. Mohamed wohnt hier in Luxor und wird daher die Nacht bei seiner Familie verbringen.
Luxor und Abreise >>