Freitag, 1. September 2017
Hafen Sydney
Liegezeit: 8:00 Uhr bis 18:00 Uhr
Wenn sich der Captain nicht mächtig verfahren hat, liegen wir heute im Hafen der ostkanadischen Stadt Sydney auf der Kap-Breton-Insel. Bis nach Australien wären wir wohl noch einige Seetage unterwegs ;-) und hätten unseren Mietwagen stornieren müssen. Sydney ist die größte Stadt auf Cape Breton in Nova Scotia, der zweitkleinsten der kanadischen Provinzen, und umgeben von unzähligen Buchten und Fischerorten.
Nach Schließung der Stahlfabrik und der Kohlenbergwerke leben ungefähr 26.000 Einwohner in Sydney. Jetzt muss sich die Region neu orientieren um so einen Teil der Abwanderung von Einwohnern aufzuhalten, zum Beispiel in die Bereiche Energie, Umwelt und Tourismus. Ein Teil trägt die neu errichtete Pier dazu bei, an der jährlich 50–60 Kreuzfahrtschiffe anlegen und so die Touristen in die Region bringen. Die Stadt selbst gibt nicht so viel her, sie ist mehr ein idealer Ausgangspunkt für Entdeckungstouren und Sehenswürdigkeiten im Umland.
Der Pilot kommt jedenfalls schon frühzeitig längsseits um die Mein Schiff 6 durch die schmale Bucht vor Sydney zu lotsen.
Ab 8:00 Uhr können wir unseren Wagen für den heutigen Tag bei der Enterprise Station in der Grand Lake Road in Empfang nehmen. Die knappen 4 Kilometer bis dahin lassen wir uns mit dem Taxi bringen. Alle Mann an Bord ist um 18 Uhr, uns bleiben also etwas über 9 Stunden Zeit für unseren heutigen Ausflug. So müssen wir uns rechtzeitig entscheiden, in welche Richtung wir fahren wollen.
Die Entfernungen sind hier nicht zu unterschätzen, denn die Straßen sind sehr kurvig und es gibt meistens keine alternativen Querverbindungen, die man als Abkürzungen bei Zeitmangel nehmen könnte. Der Taxifahrer, der uns vom Hafen zur Mietwagenstation bringt, empfiehlt uns die Gegend um den Ort Baddeck. Er beruhigt uns auch mit seinem Vorschlag, wenn wir das Schiff am Abend verpassen würden: Für 500 “Bucks” würde er uns auch nach Halifax bringen.
Mit dem Tipp Baddeck sind wir einverstanden, das Angebot mit dem Taxitransfer wollen wir nach Möglichkeit aber nicht annehmen müssen.
Auf dem nördlichen Teilstück des Trans-Canada Highways, den Highway 125, fahren wir in das ca. 80 Kilometer entfernte Baddeck. Einen der natürlichen Kanäle, die den Bras d’Or Lake mit dem Atlantischen Ozean verbinden, überqueren wir auf der Seal Island Bridge. Am anderen Ufer geht die Straße steil den Berg hoch, für unseren Dodge - super bequem, ausreichend Platz, ordentlich PS - kein Problem. Die Landschaft ist hier doch recht hügelig und bewaldet. Von der Straße haben wir immer wieder schöne Ausblicke auf Küste und den Bras d’Or Lake mit seinen Seitenarmen und -kanälen.
Nach 90 Minuten Fahrzeit kommen wir in dem kleinen Ort Baddeck am Westufer des Bras d’Or Lake an. Einen Parkplatz finden wir direkt vor dem Rathaus. Der Ort ist ganz nett mit seinen farbigen Holzhäusern, einer Uferpromenade, Restaurants und Cafés.
Bekannt geworden ist Baddeck, als im Jahr 1885 Alexander Graham Bell, seine Frau Mabel und ihre zwei jungen Töchter sich hier niederließen. Bell führte auf seinem Anwesen viele Experimente durch, baute Boote, Drachen, Flugzeuge und gab dadurch vielen Menschen Arbeit. Dies trug viel zum damaligen kulturellen, sozialen und industriellen Fortschritt der Ortschaft bei.
In dem Museum oberhalb des Sees kann man einen Einblick in das Schaffen von dem Ingenieur, Erfinder und Wissenschaftler bekommen. Hier ist die weltweit größte Sammlung von Bell's Erfindungen, Erinnerungsstücken, Fotos und Modellen. In einer großen Halle hängt unter anderem ein Modell eines Tragflügel-Flugzeuges. Mit dem „Silver Dart“ gelang am 23. Februar der erste erfolgreiche Flug in Kanada. Gestartet wurde wurde von einem zugefrorenen See hier in in Baddeck. Fehlen dürfen natürlich auch keine der ersten Telefone, die Bell aus Ideen seiner Vorgänger weiterentwickelte, zur Marktreife brachte und aus der Erfindung des Telefons Kapital geschlagen hat.
Die Aussichtsplattform des Museums bietet einen Panoramablick auf die umliegenden Berge und die Baddeck-Bucht.
Jetzt wollen wir noch einen Teil des Cabot-Trails befahren. Die rund 300 Kilometer lange Straße führt entlang der Küste von Cape Breton Island und ist eine der berühmtesten Routen Kanadas. Auf dem Cabot Trail ist die Reise selbst das Ziel, großartige Aussichten garantiert.
Am Museum in Baddeck starten wir gegen Mittag zur Ostküste der Halbinsel Cape Breton. Die Küstenstraße ist gut zu befahren und immer wieder haben wir atemberaubende Ausblicke auf die Steilküste und hügelige Wälder. Unterwegs begegnen oder überholen wir Radler mit Gepäck oder auf Rennrädern auf ihrer Tour um das Cape. Etwa sechs Tage muss für die Ringstraße, die durch hügeliges Terrain führt und nicht grad für einen Sonntagsausflug taugt, kalkuliert werden. Das ist schon eine ordentliche Leistung und bestimmt nicht ohne Training zu schaffen! Auch ein Pärchen mit der Deutschlandflagge am Gepäck wird von uns überholt.
Wir kommen gut voran, verlieren nur etwas Zeit durch Warten an einer Baustellenampel. Die komplette Runde auf dem Cabot Trail werden wir aus Zeitgründen wohl jetzt definitiv nicht mehr schaffen können. Vorher hatten wir die Info bekommen, dass eine Umrundung während der Liegezeit des Schiffes wohl nicht machbar wäre. So planen wir genügend Zeit für den Rückweg ein und fahren weiter bis zu einer kleinen Zufahrt zu einem größeren Parkplatz mit Picknickstellen. Von kleinen Wanderwegen am Steilufer gibt es immer wieder einen herrlichen Blick auf Wasser, Wald und die steinigen Klippen.
23 km weiter und nach knapp 1,5 Stunden Fahrtzeit auf dem Trail erreichen wir den Urlaubsort Igonish. Von der Hauptroute biegen wir hier rechts ab zum Parkplatz am Strand. Dieser liegt gut geschützt in einer Bucht, mit Kiesel- und Sandstrand. Trotzdem sind die Wellen heute ordentlich hoch und es gibt eine starke Brandung. Nach Baden ist uns daher nicht!
Wir fahren weiter zur Keltic Lodge, einer exklusive Hotelanlage auf einer Landzunge des Nationalparks mit Blick auf den Atlantik. Bis hierher haben es auch ein paar Ausflugsbusse geschafft und wir treffen ein paar bekannte Gesichter vom Schiff wieder.
Gerne würde Anja bei diesem Ausblick in der Sonne noch länger verweilen, aber wir müssen ja auch noch wieder bis ganz nach Sydney zurück. Wir fahren die Straße noch ein kleines Stück weiter bis zum Eingang des Cape Breton Highlands National Parks, kehren gegen 14 Uhr um und treten die Rückfahrt an.
In seinem Vortrag hatte Lektor Markus Kummerer die Autofähre bei Englishtown erwähnt, von einer Nutzung aber abgeraten: Zu teuer und Abfahrten nicht regelmäßig.
Wir probieren die Abkürzung trotzdem, fahren die Stichstraße 312 nach Jersey Cove und können die Erfahrungen des Lektors nicht bestätigen. Vielleicht war er in der Nebensaison hier. Wir brauchen jedenfalls nicht lange warten und werden mit der Seilfähre in 3 Minuten an das gegenüberliegende Ufer bei St. Ann’s gebracht. Auch die 7 canadischen Dollar (= 4,75 €) finden wir okay, sparen doch damit bestimmt eine halbe Stunde Autofahrt und haben die große Baustelle umfahren.
Ein Kilometer nach dem Fähranleger fällt uns eine bunte Ansammlung von Containern, Fässern, Reusen, Tischen und sonstigen Gedöns auf. Auf einem Container steht ein Mann und fotografiert. Wir halten an und Ingolf und ich steigen aus um uns einmal umzusehen. Der Fotograf ist der Inhaber dieser kurios aussehenden Imbissbude “Captain Caper's fish and chips”. Wir kommen mit dem Captain in ein nettes Gespräch und wir bedauern, dass wir keine Zeit mehr haben hier einen kleinen Imbiss einzunehmen. Denn hier gibt es bestimmt leckeres Esse, nette Bedienung und einen tollen Ausblick gratis dazu.
Kurze Zeit später sind wir wieder an der Seal Island Bridge und um 16:30 Uhr zurück an der Station von Enterprise. 312 Kilometer waren wir unterwegs. Auch von hier werden wir netterweise wieder zum Hafen zurückgebracht.
Zurück am Schiff hätten wir sie fast übersehen, die weltgrößte Geige - The Big Fiddle. Mit ihren 18 Metern Höhe steht sie direkt am Terminal! Am Morgen war sie uns gar nicht aufgefallen, denn da hatten wir den Hafen an der anderen Seite des Gebäudes verlassen um nach einem Taxi zu schauen.
Zum Abendessen in der X-Lounge werden wir u.a. mit St. Peters Fisch und türkischen Kaffee-Schokoladen-Kuchen verwöhnt, dazu gönnen wir uns wieder mal eine Flasche Tohuwabohu. Mit Sonja und Gerd tauschen wir uns über unseren Tag aus. Die beiden waren heute in der südlicheren Ecke von Sydney unterwegs und haben das Highland Village besichtigt und dabei eine Zeitreise in die Lebenswelt der Schotten, die vor allem im 18. und 19. Jh. nach Kanada einwanderten, erlebt.
Die Celebration Show im Theater muss ohne uns stattfinden, zu müde und kaputt sind wir von diesem langen Tag. Morgen heißt es wieder fit sein, für den letzten Ausflug mit dem Mietwagen auf dieser Reise.
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