Jåhkåmåhkke

Freitag, 25. März 2016

Jåhkåmåhkke und Rentierfarm

Gut ausgeschlafen gehen wir um 9:00 Uhr zum Frühstück runter.

Das Angebot auf dem Frühstücksbuffet ist gut und ausreichend: diverse Käse-, Wurst- und Marmeladensorten, Rührei, gebratener Speck, Würstchen und Köttbullar. Auch Heringshappen in verschiedenen Variationen dürfen natürlich nicht fehlen. Dazu Brötchen, Baguette, Toast- und Knäckebrot. Ananas, Bananen, Kiwis, Melonen und Weintrauben stehen für die Zubereitung eines Obstsalates bereit. Auch die Körnerecke für das Müsli ist gut sortiert. Dazu einen ordentlich starken Schwedenkaffee. So kann der Tag gut beginnen.

In der Nacht hat es geschneit und es sind ein paar Zentimeter frischer Schnee dazu gekommen. Heute sind es morgens - 2° Grad, tagsüber sind es dann ein paar Plusgrade. Also gut auszuhalten.

 

Ein Teil der Gruppe hat sich für den Ausflug mit den Hundeschlitten entschieden.

Wir starten zu einem Spaziergang an den See und einen kleinen Rundgang durch den Ort.

Direkt vor dem Hotel führt auch eine frisch gespurte Loipe entlang. Ein Stückchen weiter verzweigt sich diese und führt in verschiedenen Varianten den gegenüberliegenden Berg hoch bzw. um den See herum. Wir hätten auch im Hotel Langlaufski ausleihen können. Das Material sah gut aus, für die halben Tage war es für uns aber nicht lohnend. Beim nächsten Mal bringen wir unsere eigene Ausrüstung mit.

Im Ort ist nicht viel los. Das Museum und die gegenüberliegende größere "Neue Kirche" haben geschlossen. 

Mittags waren wir wieder zurück am Hotel und konnten uns an der Kaffeetheke bedienen. Hier stand den ganzen Tag Kaffee, Tee, Wasser, Saft und Kekse gratis für die Hausgäste bereit.

Ein netter Service um sich wieder aufzuwärmen. 

Um 12:30 Uhr treffen wir uns unten in der Hotelhalle. Alf bringt uns in 15 Minuten zu einer im Waldgebiet bei Vajmat gelegenen Rentierfarm, etwas südlich von Jokkmokk.

Die Rentierzucht betreiben Helena, ihr Lebensgefährte Per-Oddvar und ihr Bruder Rickard. Helena empfängt uns in ihrem "Kolt",  die traditionelle Tracht der Samen. Anhand des Aussehens kann man die Herkunft und die Familienzugehörigkeit des Trägers erkennen.

Zu Festlichkeiten werden natürlich auch feinere "Kolts" mit zum Beispiel eingenähten Silberfäden, getragen. Die zur Arbeit sind schon etwas rustikaler.  

Helena erzählt uns, das ihr Bruder Rickard inzwischen schon mit den ersten Tieren wieder unterwegs in die Bergregionen im Norden zieht. 

Bei einem Spaziergang durch die "Wintergehege" berichtet sie uns sehr anschaulich über das Leben der Sami und gibt uns Informationen über die Rentierzucht hier im Norden Schwedens.

Die Sámi,  früher auch „Lappen“ genannt, sind ein indigenes Volk. Lappland erstreckt sich über die vier Staaten Norwegen, Schweden, Finnland und Russland. Lappland war nie ein eigener Staat. Doch in den letzten Jahrzehnten wuchs das Nationalbewusstsein der Sámi immer mehr und die samische Flagge ist heute häufiger zu sehen. 

Alle Rentiere Lapplands sind im Besitz der Samen, denen die Zucht der Tiere vorbehalten ist. 

Ca. 230 000 Rentiere sind im Norden Schwedens unterwegs, etwa ein Drittel des Landes ist Rentierzuchtgebiet. Bei den Herden  hier in Lappland handelt es sich um „halbwilde“ Rentiere. Unter der Obhut der Samen werden die Türe gezüchtet, eine Auswahl der Zuchttiere findet im Gegensatz zu anderen Nutztieren aber nur sehr eingeschränkt statt. Die Tiere liefern unter anderem Fleisch, das wir später auch noch testen werden. Auch die Felle werden gerne als wärmende Unterlage im Zelt oder auch als Wandschmuck genommen. Die Rentiere sind dem kalten Klima perfekt angepasst. Das dichte Fell schützt vor den tiefen Temperaturen und mit ihren großen Hufen können sie gut im Schnee laufen und dort auch nach Futter graben.

Das Rentier ist ein Herdentier, bei dem beide Geschlechter ein Geweih tragen. Rentierbullen verlieren ihr Geweih nach der Brunft im Herbst. Die weiblichen Tiere tragen ihr Geweih den Winter über bis zur Geburt des nächsten Kalbes im Mai. Dies gibt den trächtigen Kühen den Vorteil, dass sie ihre Futterplätze im Winter gegenüber den Bullen erfolgreicher verteidigen können, da sie mehr Nahrung benötigen.

Im Juli findet die Markierung der im Mai geborenen Kälber statt.  Jedes Kälbchen bekommt speziellen Einschnitte in die Ohren. Die unterschiedlichen Schnittmuster der Samenfamilien zeigen, wer der Eigentümer des Tieres ist. Jede Familie hat ihr eigenes Muster. Sogar das Muster unter den einzelnen Familienmitgliedern  ist unterschiedlich. Die Tiere von Rickards Sohn haben also ein eigenes Muster als die Tiere seines Vaters. Die abgeschnittenen Teile werden wie Ketten aufgezogen. So kann man erkennen, wie groß der Besitz der Familie ist. Über Geld redet man bei uns ja auch nicht und so bleibt die Frage nach der Anzahl der Tiere von Helena lächelnd unbeantwortet. Im Laden von Helena hingen in einer Ecke die aufgezogenen Ohrteile des letzten Jahres. Schon eine stattliche Zahl, an der der Kenner - der ich nicht bin - doch die ungefähre Größe der Herden abschätzen könnte.

Die Tiere waren sehr zutraulich und kamen bis auf wenige Zentimeter an meine Kamera heran. Rote Jacken oder hastige Bewegungen mochten sie allerdings nicht ganz so gerne. Eine sehr schnelle Runde der Herde durch das Gatter war dann die Folge und es dauerte eine Weile bis sich die Tiere wieder beruhigt hatten.

Nach den tollen Erklärungen ging es in das typische, mit Rentierfellen ausgelegte, Zelt der Sami. In der Mitte kochte das Wasser über dem offenen Feuer.

Vorweg gab es getrockneten Rentierschinken. Wir fanden ihn lecker, anderen Mitreisenden war der Geschmack etwas zu wild. 

Als Hauptgang hatte Per-Oddvar Rentiergeschnetzeltes zubereitet. Gereicht wurde es auf Tunnbröd, zu Deutsch „dünnes Brot“.  Es stammt ursprünglich aus Lappland, ist inzwischen aber in ganz Schweden bekannt. Der Teig aus Weizenmehl, Wasser, Butter und Salz wird geknetet und dann mit einem genoppten Rundholz  dünn ausgerollt. Durch die Noppen bekommt das Fladenbrot die gewünschte, unebene Struktur. Im Ofen wird es je nach gewünschter Konsistenz gebacken. Hier war es kurz gebacken und man hatte einen weichen Fladen, in dem man das geschnetzelte Fleisch einwickeln konnte. Dazu eine Soße aus Preiselbeeren und Sauerrahm. Schmeckte so lecker, das Anja und ich noch um Nachschlag baten und auch bekamen. Zum Abschluss gab es noch eine Tasse sogenannten "Salzigen Kaffee". Der Name kommt von dem in der Tasse übergossenen getrockneten Stückchen Rentierfleisch. Die dadurch leicht salzige  Geschmacksnote war aber sehr dezent. 

Auf dem Rückweg zum Hotel legt der Bus noch einen Stop an der Wild Butik, betrieben von Rickard, Helena und Per-Oddvar, ein. Hier verkaufen sie die unterschiedlichsten Produkte von ihren Rentieren und aus der Gegend um Jokkmokk.  Wurst, Fleisch von Elch oder Rentier und andere schwedische Köstlichkeiten. Eigentlich ist die Butik heute geschlossen, aber Helena macht  für unsere Reisegruppe den Laden extra auf.  Durch den Verkauf von einigen der Rentierfelle - der Bestand hat sich erheblich reduziert- hat sich das Öffnen sicherlich für sie gelohnt.

Zurück im Hotel wollen wir uns etwas aufwärmen. 

Im Haus gibt es je eine Sauna für Damen und Herren. Da außer uns aber keine anderen Gäste im Haus sind, wird die Damensauna einfach zur Gemischtsauna erklärt. 

Bei fast 100 °C wird uns schnell warm, abkühlen können wir uns direkt vor dem Haus im frischen Schnee.

Zum Abendessen gibt es auch hier heute Geschnetzeltes vom einheimischen Rentier mit Kartoffelpürree. Dazu gönnen wir uns ein Gläschen Rotwein, der für Schweden einen ganz akzeptablen Preis hat und uns auch gut schmeckt. 

Wasser zum Essen gibt es in der Flasche immer gratis dazu.

Gegen 21:00 Uhr ziehen wir uns noch einmal warm an und machen einen Spaziergang auf den See. Fotoapparat, Stativ und Videokamera sind eingepackt und  der Himmel ist klarer als am Vorabend. Außer ein paar Sternen und dem Mond ist am Himmel nichts zu sehen. Das Polarlicht hält sich an die Vorhersage und leuchtet wohl etwas weiter nördlich auf. 

Trotzdem war es ein schöner Abschluss des tollen Tages!


Spaziergang auf den Storknabben >>