Iquitos und stromabwärts auf dem Amazonas

Freitag, 10. April 2015 / nachmittags

Die MS Bremen liegt bei unserer Einfahrt in den Hafen schon bereit. Die zwei vorherigen Wochen hat sie sich gegen die Strömung des Amazonas bis hier hochgekämpft.

Jetzt will ich mit dem Schiff die engen, verschlungenen Wasserläufe des Amazonas mit ihrem undurchdringlichen Grün, der atemberaubenden Tierwelt und mystischen Kultur flußabwärts entdecken.

Das Abenteuer kann beginnen: An den Ufern des Amazonas im weltweit größten tropischen Regenwaldeswarten werden unzählige Entdeckungen anstehen, die ich bei hoffentlich zahlreichen Zodiac-Fahrten erkunden kann.

Ich habe mich schon vorher etwas über diesen riesigen Fluss informiert. Schöne Illustrationen und viele Informationen gibt es über den Rio Amazonas zum Beispiel im "SEA LIFE" im hannoverschen Berggarten. Natürlich auch einige der dort vorkommenden Fische und Pflanzen. Ich will aber den Mythos Amazonas und die Fauna und Flora des Urwaldes selbst live erleben.

Bevor in Iquitos die 4.000 Kilometer lange Reise nach Belem startet, gebe ich hier einige Informationen. An den Zwischenstopps, z. B. in Manaus oder Santarem, werde ich diese dann immer wieder durch Details ergänzen.

Etwa 300 km südlich des Äquators von West nach Ost durchquert der Amazonas den südamerikanischen Kontinent durch den tropischen Regenwald. Seine beiden Quellflüsse sind der Marañón und der Ucayali in Peru, erst ab dem Zusammentreffen führt er seinen Namen. 

Städte am Amazonas gibt es nur wenige. Die größte Stadt am Amazonas ist Iquitos, unser Starthafen, liegt nicht weit von dem Zusammenfluss der beiden Quellflüsse. Die Städte Manaus und Belém liegen nicht direkt am Amazonas. Manaus liegt am Río Negro, 12 km oberhalb der Mündung. Belém am Rio Pará (an der Bahia de Guajará) südlich der Amazonasmündung. Weitere große Städte am Amazonas sind Macapá und Santarém.

Der Amazonas hat ungefähr 10.000 Nebenflüsse. 17 sind über 1600 km lang und über 100 sind schiffbar. Der Rhein hat zum Vergleich nur eine Länge von 1236 km.

Der in Brasilien meist mehrere Kilometer breite Fluss hat eine relativ gleichmäßige Wasserführung, da die Hochwasserphasen der Nebenflüsse jahreszeitlich verschoben auf den äquatornahen Hauptstrom treffen. Dennoch kann er die angrenzenden bewaldeten Flächen auf einer Breite von bis zu 60 km überschwemmen.

Als wir aus dem klimatisierten Airbus aussteigen haut einem die warme und feuchte Luft fast um. 28°C und ca. 95% Luftfeuchtigkeit. 

Das Gepäck ist schnell auf dem Gepäckband angekommen und wird nur an der Seite zusammen gestellt für den Transport zum Schiff. Ein einheimischer Helfer ist gleich mit seinem Gepäckwagen zur Stelle um mir behilflich zu sein. Der Transport geht allerdings nur 20 m, weiter ist die Sammelstelle nicht entfernt. Gerne geben ich dem netten Peruaner doch einen US-Dollar für die Hilfe.

Draussen stehen fünf kleinere und ein großer Bus für den Transport zum Schiff bereit. Ich steige mit einigen aus der VPG (Vorprogrammgruppe) in den letzten Bus, die anderen sind schon gut besetzt. 

Zuerst geht es aber durch die Stadt Iquitos. Ein Guide aus dem Ort erklärt uns in englischer Sprache seine Heimatstadt.

Iquitos liegt 125 km unterhalb des Zusammenflusses der beiden Hauptquellflüsse des Amazonas, Río Ucayali und Río Marañón und ist mit inzwischen fast 1 Million Einwohnern die größte Stadt im tropischen Regenwald des südamerikanischen Anden-Staates Peru.


Erreichbar ist Iquitos nur mit dem Flugzeug oder mit dem Boot über den Amazonas, per Straße ist die Stadt von der Außenwelt abgeschnitten. Die Stadt wurde um 1750 als Mission der Jesuiten als eine Verteidigungsbastion gegen Indios gegründet. Zwischen 1870 und 1880 setzte der Kautschukboom ein und in den nächsten 30 Jahren entwickelte sich die Stadt zum Zentrum der Kautschukgewinnung und des -handels. Die Indios wurden wie Sklaven behandelt, während die Kautschukbarone immer reicher wurden. Der Boom endete genauso schnell wie er begonnen hatte, als es einem Briten gelang, Samen der Kautschukpflanze aus Brasilien zu schmuggeln. In Malaysia wurden daraufhin Plantagen errichtet, deren Kautschuk wesentlich billiger und leichter zu ernten war. Damit war die Blütezeit von Iquitos erst einmal vorrüber und jahrzehntelang rang Iquitos ums Überleben. Genauso ergang es auch den anderen Städten am Amazonas, wie zum Beispiel auch Manaus. Aber da kommen wir später noch vorbei. Versuche, die Wirtschaft über den Anbau von Tabak und Bananen anzukurbeln, scheiterten. Ebenso auch die Ideen, den Barbasco (ein giftiges Gebräu, das die Indios zum Fischfang verwendeten) als Insektizid einzusetzen oder exotische Tiere an Zoos in aller Welt zu verkaufen.

Erst die Entdeckung von Erdöl und dessen Förderung sowie die Holzwirtschaft ließen Iquitos Anfang der 1960er Jahre zur modernen Stadt werden. Seit einigen Jahren entwickelt sich auch der Tourismus zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor. 


Wir fahren auf aspahaltierten Straßen in Richtung Zentrum. Die Seitenstraßen sind aber meist unbefestigt und nach den starken Regenfällen der letzten Zeit auch matschig.

Unser Guide erklärt, das am Amazonas nur zwischen zwei Jahreszeiten unterschieden wird: Die Trockenzeit von Anfang Juni bis Ende Dezember und die Regenzeit, welche im Januar beginnt und im Juni endet. Mit den stärksten Niederschlägen ist in den Monaten März und April zu rechnen.

Unsere Reisezeit im April hat den Vorteil, dass wir mit den Zodiacs weit in die Nebenarme des Amazonas hineinfahren können um die Tier- und Pflanzenwelt zu betrachten.


Für die Einheimischen im Stadtteil Belén (dt.: Bethlehem) direkt am Amazonasufer ist das Hochwasser natürlich nicht unbedingt von Vorteil. Die Häuser sind auf bis zu 10 m hohen Stelzen gebaut und sind nur über Stege erreichbar. Hier wohnen die verarmten Indios der Stadt. Das Wasser steht bis unter den Fußboden oder bis in die Häuser. Die Luft ist warm und feucht. Ideale Bedingungen für Mücken und andere Quälgeister die der Gesundheit nicht förderlich sind.

Trotz ihrer Armut scheinen die Einwohner von Iquitos auch bei diesen widrigen Bedingungen meist fröhlich zu sein. Die Leute sind freundlich, lachen und winken, als wir mit dem Bus vorbeifahren. An einer Stelle steigen wir aus und gehen zu einem Anleger für Boote herunter. Unten angekommen werden wir von einem heftigen Regenschauer überrascht. Die meisten von unserer Gruppe sind schon zurück im Bus. Ich rette mich noch unter ein Vordach eines Hauses. Drei Mitreisende warten im Hauseingang gegenüber. Da dort der Guide dabei ist, habe ich keine Sorge, das der Bus ohne mich weiter fährt.

Zwei Häuser weiter sitzt eine Familie unter einer Folie und wartet den Regen ab. Alle freuen sich anscheinend über den Schauer, der bestimmt 15 Minuten anhält. Besonders ein kleines Mädchen, das den Wasserschwall von der Folie als willkommene Abkühlung nutzt. 


Weiter flußaufwärts beginnt das Marktviertel von Belén. Aus dem fahrenden Bus haben wir einen Blick auf das pulsierende Leben. Es herrscht ein Gewusel von Händlern, Kunden und spielenden Kindern. Verkauft werden unzählige Fischarten, zahllose Früchtesorten und vieles mehr. Enthäuete Affen zum Grillen oder Flussschildkröten habe ich auf die Schnelle nicht gesehen.

Haupttransportmittel im Ort sind klapprige bunte Busse und dreirädrige Motorradtaxis, von denen es ca. 50.000 Stück im Ort geben soll. Bei Regen zieht der Fahrer eine ca. 1 m² große Plane zum Schutz vor, es bleibt nur ein schmaler Schlitz zum durchblicken. Mit diesen Tuktuks werden preiswert Passagiere und Lasten durch den Ort transportiert. 


Nach der ungeplanten Regenpause fahren wir weiter in Richtung des alten Zentrums. Hier stehen die restaurierten Häuser aus der Boomzeit mit ihren Jugendstilfassaden. 

Auf der Plaza de Armas steht die imposante Kirche von Iquitos. Das katholische Gotteshaus ist zugleich auch das höchste Gebäude der Stadt. 

An der östlichen Ecke der Plaza de Armas steht die Casa de Fierro, das Eisenhaus, ein nur aus Metall gebautes Gebäude, das der französische Architekt Gustave Eiffel entworfen hat. Es wurde für die Weltausstellung in Paris konstruiert und nach Beendigung der EXPO 1897, zur Zeit des Kautschuk-Booms, nach Iquitos verschifft und hier aufgebaut.

Da wir hier keinen Halt machen sind die Fotos aus dem fahrenden Bus teilweise etwas unscharf. An der 1995 renovierten Promenade, der Malecon, halten wir noch einmal kurz an und haben einen schönen Blick über den Fluss. Zwischen den Bäumen liegt ein Schiff und verrottet. Es ist aber nicht die Fitzcarraldo aus dem gleichnamigen Film mit Claudia Cardinale und Klaus Kinski, der hier in der Gegend von 1977-1981 gedreht wurde.




Um 16:30 Uhr sind wir am Schiff. Als erstes werden unsere Reisepässe eingesammelt, kurz ein Foto für den Bordausweis machen und es dauert keine 10 Minuten und ich kann meine Kabine 521 beziehen. Da ich diese Kabine auch in der Antarktis hatte fällt mir die Orientierung nicht schwer.

Um 18:00 Uhr findet die obligatorische Seenotrettungsübung statt. In der Lunge erhalten die Gruppen A+B Informationen über die Sicherheitsvorkehrungen an Bord und das Verhalten im Notfall. Zum Abschluss noch ein kurzer Weg zu den Rettungsbooten und dann kann es zum Abendessen gehen.



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